Ein Leserbrief von mir an die ADAC Motorwelt Redaktion zum Bericht “Tatort Auto” in Ausgabe 09/2012.
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Sehr geehrter ADAC,
mit Ihrem Artikel “Tatort Auto” in der Motorwelt Ausgabe 09/2012 hat sich Ihre Berichterstattung erfolgreich auf das Niveau der Bild Zeitung herabgelassen. Herzlichen Glückwunsch dazu !
Ich kann gar nicht glauben, dass Sie offensichtlich der Ansicht sind, Ihre rund 18 Mio. Mitglieder lassen sich tatsächlich in eine so simple und falsche Unterteilung pressen: die Bösen, also Drängler, Nötiger und Lichthuper und die Guten, also regelkonforme, STVO-treue Autofahrer. Ein klassisches schwarz/weiß Denken. Eigentlich geht man davon aus das heutzutage – abgesehen von den oben angesprochenen Boulevardmedien – ein an sich seriöser Verein wie der ADAC ein wesentlich differenziertes Bild der heutigen Autofahrer hat und dieses auch entsprechend nach außen hin vertritt. Mich würde sehr interessieren, an welcher Stelle sich denn bei Ihnen die Mittelspurfahrer, Spurwechsler ohne Blinken, mit 110km/h auf der dritten Spur ohne Geschwindigkeitsbegrenzung überholenden Autofahrer wiederfinden ? Sind die jetzt gut, oder böse ? Nach Ihrer bisherigen Definition sind sie gut – denn sie drängeln, nötigen oder Licht-hupen ja nicht. Und was ist eigentlich mit den Autofahrern, die auf der Autobahn mehr telefonieren als fahren, deren Gedanken irgendwo sind, aber nicht auf der Straße, oder die den Rückspiegel ungefähr so häufig benutzen wie der Papst ein Kondom ? Auch gut, oder nicht vielleicht doch auch ein bisschen böse ?
Dabei ist es keinesfalls so, dass das Problem, welches sie in Ihrem Artikel thematisieren, nicht existiert. Aber das Problem wird weder durch eine Unterteilung der autofahrenden Bevölkerung in gut und böse noch durch drakonische Strafen gelöst. Vielmehr liegen die Ursachen für das von Ihnen angesprochene Verhalten in einer stetigen Zunnahme des Straßenverkehrs, sowohl auf Seiten der PKW, aber insbesondere auch auf Seiten der LKW. Und in der Unkonzentriertheit vieler Verkehrsteilnehmer. Heutzutage ist Autofahren keine Sache die man mal eben fix nebenbei machen kann, sondern es ist eine Tätigkeit die volle Konzentration und 100%ige Anwesenheit erfordert. Nicht zuletzt könnten auch regelmässige (verpflichtende) Aufbaukurse zu einer deutlichen Entspannung im Straßenverkehr führen, in denen nicht nur die Verkehrsregeln wiederholt und auf den neusten Stand gebracht werden (die ändern sich schliesslich auch hin und wieder mal), sondern auch gezielt Hinweise und Tipps zu bestimmten Verkehrssituationen gegeben werden (“Wie fahre ich richtig auf einer vollen 3-spurigen Autobahn ? Wie überhole ich richtig und sicher ?).
Ganz besonders lächerlich fand ich Ihre Markenübersicht – mit welcher Marke wird am meißten gedrängelt. Großartig, wirklich. Nicht. Schon mal darüber nachgedacht, dass man sich grundsätzlich mit jedem x-beliebigen Auto regelwidrig verhalten kann ? Schliesslich entscheidet ja der Mensch über die Aktion und den Fahrstil, nicht das Auto.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Becker