Vorwärts Männer, wir müssen zurück !

(only in german – sorry)

Die letzte Woche der Thüringer Lokalpolitik war geprägt von Uneinigkeit. Uneinigkeit in Bezug auf eigentlich alles.

Ganz besonders uneinig waren sich aber die etablierten Medien bei der Frage, ob #r2g (so die neuländische Abkürzung für rot-rot-grün inkl. vorangestellter Raute zur Markierung als sog. Hashtag (hat nichts mit der Position von schwarz-rot in Sachsen-Anhalt zum Thema Legalisierung von Cannabis zu tun)) jetzt einen echten Politikwechsel umsetzt oder nur längst ausgetretene Pfade weiter beschreitet. Nur im Ergebnis war man sich einig, nämlich, dass das alles nichts bringt.

Die 100-Tage-Schonfrist scheint offensichtlich für “linkere” Regierungen nicht zu gelten.

So kam es, dass die Thüringer Allgemeine den größten Verwaltungsumbau im Freistaat Thüringen seit der Wende 1990 glaubte entdeckt zu haben. Frei nach dem Motto, neue Besen kehren gut. Dem oder den RedakteurInnen schien sich dabei kein Konzept zu erschließen, so dass das knallharte Fazit lautete: Chaos (nein, Anarchie darf als Fazit erst nach 100 Tagen Amtszeit verwendet werden).

Aus etwas größerer Entfernung (im Vergleich zur TA) betrachtet, schien sich ein völlig anderes Bild zu ergeben. So kam der MDR, führende, meinungsbildende Instanz in Mitteldeutschland *hüstl*, zu dem Schluss, dass seit (darf man “Machtübernahme” guten Gewissens kurz nach dem 70. Befreiungstag des Konzentrationslagers Auschwitz schreiben ? Ich glaube nicht. (sehr guter DLF Kommentar)) Übernahme der Regierungsgeschäfte durch #r2g praktisch nichts passiert sei. Das Fazit lautete dann auch dementsprechend: wann gehts richtig los ? Nun, dann hat sie wenigstens etwas mit der Vorherigen gemeinsam. (ähnlicher Tenor => Link => Freitag 30.01., 3 – 6 Uhr, Beitrag “Viel Lärm um nichts”).

Und das bringt uns direkt zu Mike “ich mach was mit Medien” Mohring. Der Thüringer Oppositionsführer tauchte so oft in mehr oder weniger journalistischen Erzeugnissen auf (Link 1 / Link 2 / Link 3 / Link x), dass man meinen könnte, er sei Teilnehmer des Dschungelcamps (wobei ich hoffe, dass das unter seiner Gürtellinie wäre). Man fragt sich, woher er all die Zeit nimmt. Schließlich muss ja irgend jemand die ganzen Anträge schreiben, mit denen die CDU das Plenum bombardierte. Doch am Ende des Tages wird auch hier nur mit Wasser gekocht, so dass der dritte geplante Plenumstag kurzerhand mangels Themen / Inhalten ins Wasser viel. Dieses traf direkt auf die ohnehin schon warmgelaufenen Mühlen der “die Regierung tut nichts” Schreiberlinge und produzierte noch mehr Nichts.

Darüber, dass man ein 16 Jahre lang tot gerittenes Pferd nicht in 2 Monaten wiederbelebt, hab ich nichts gelesen.

Mein Therapeut sagt, ich soll positiver denken. Daher zum Abschluss noch eine gute kommunale Nachricht. Die Abfallwirtschaft im Ilmkreis befindet sich, nach vorausgegangenem Bürgervotum (Vorsicht: direkte Demokratie. Zu Risiken und Nebenwirkungen…na sie wissen schon.), wieder vollständig in öffentlicher Hand. Keine alltägliche Geschichte, aber eine, die nach Wiederholung (Thüringer Meer) schreit.

Es bleibt spannend…

(only in german – sorry)

Ich glaube, ich habe noch nie auf diesem kleinen Blog über Thüringer Lokalpolitik geschrieben. Falls doch, dann höchstens am Rande. Warum also diesmal ?

Nun – die letzten rund 14 Tage waren doch recht spannend im kleinen Ländle Thüringen. Um die mehr oder weniger wichtigen Geschehnisse zu verfolgen, musste ich noch nicht einmal das Haus verlassen. Genau genommen hätte ich mich nicht mal von der Couch erheben müssen. Denn der aufregendste Teil ließ sich prima im Internetz verfolgen.

Doch von vorn. Nach 16 Jahren CDU Herrschaft regiert inzwischen ein gewisser Hr. Ramelow, seines Zeichens Parteigänger der Partei Die Linke, im Bratwurstland. Folgte dem Votum der WählerInnen zunächst eine lange Phase von Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen, teilweise begleitet entweder von Demonstrationen gegen Die Linke (bzw. ihre Vergangenheit) und der sich am Horizont anbahnenden Koalition mit SPD und Grünen, oder den hier und da geäußerten Befürchtungen, dass es a) bald keine Bananen mehr gäbe, b) die Grenzen zu den angrenzenden Bundesländern geschlossen würden und c) Herrn Ramelows erste Amtshandlung im Ausrufen einer Räterepublik bestünde. Doch die DemonstrantInnen verschwanden genauso schnell wie sie kamen (Gerücht: einige zogen nach Dresden weiter) und Bananen gibt es immer noch.

Denn entgegen allen Befürchtungen tat der neue Ministerpräsident erstmal etwas Unerwartetes: er zündete eine mediale Nebelgranate namens Ramelow & Co, ausgestrahlt auf Salve.Tv, einem Lokalsender, dessen Reichweite (sorry no offense) geringer ist (bzw. geringer war), als die Akkulaufzeit eines handelsüblichen Smartphones. Die Blendwirkung war indes so hoch, dass sich sogar die FAZ (und sie war bei weitem nicht die einzige) zu einer Berichterstattung hinreißen lies. Doch wie schrieb Churchill in seiner Autobiografie sinngemäß: ist der Skandal vor dem Auge des Menschen nur groß genug, kannst du hinter seinem Rücken ein U-Boot vorbeischmuggeln (das Zitat war irgendwie anders, aber den Sinn trifft es auch so). Denn während sich Steffen-Claudio Lemme, die Thüringer Allgemeine (oder sollte ich lieber schreiben das Medienmonopol der Zeitungsgruppe Thüringen (ZGT)), die CDU und jetzt gezwungenermaßen auch die Landesmedienanstalt mit Ramelows “Staatsfernsehen” beschäftigen, schmuggelte die neue Regierungskoalition gleich mehrere U-Boote durch Thüringen.

So soll die Finanzierung der Kommunen mit einem signifikanten Geldbetrag verbessert werden. Dazu wird eine noch kurz vor knapp vom ehemaligen CDU Finanzminister getätigte Sondertilgung auf Landesschulden zurückgenommen, was der Regierung einen Rücklagenspielraum von nicht schlechten 328 Millionen EUR einbringt. Weiterhin ermöglichte man CDU Frau Walsmann nicht die Reise in den EU-Ausschuss der Regionen nach Brüssel. Und neben einigen anderen Dingen, die ich zu faul bin rauszusuchen, wurde auch die geplante Abschaltung der V-Leute vorangetrieben. Ich halte das für eine gute Idee. Diese Reportage hat mich darin bestärkt. Oft kann ich sie allerdings nicht schauen. Mir wird dann immer schlecht und ich habe das Bedürfnis, in meinen Aluhut zu kotzen. Doch da sich der Nebel nur langsam lichtet, erhielten alle diese Maßnahmen nur die oben beschriebene Smartphone-Akkulaufzeit-Medienaufmerksamkeit (Übersetzung: geringe Aufmerksamkeit).

Und so geschah es, dass ich sogar Mike Mohring, u.a. Landesvorsitzender der CDU, recht geben musste, als er die zu erwartenden 5 Jahre Opposition eher als Marathonlauf anstatt eines 100m Laufes für seine Partei beschrieb. Denn offensichtlich ist – zu mindestens zum jetzigen Zeitpunkt – nicht einmal bei der Thüringer Wirtschaft, etwas von der oft heraufbeschworenen Angst vor Ramelow und den Linken übrig geblieben. Und während die Klügeren in der CDU jetzt hoffentlich den Realitätsabgleich mit ihrer Oppositionsrolle machen, glänzt einer der “fähigsten” Parteikollegen von Mohring derweil weiter auf bekanntem Niveau.

Was sonst noch passiert ist ? Mutige StudentInnen haben einen Vortrag des stellvertretenden AfD Bundesvorsitzenden Alexander Gauland an der Erfuter Uni verhindert und Präsident Walter Bauer-Wabnegg, ehemaliger Inhaber des bemerkenswerten Lehrstuhls für Multimediales Erzählen (Bauhaus Universität Weimar), war mittendrin statt nur dabei. Offensichtlich kann er besser deeskalieren, als spannende Reden zu halten. Jeder der ihn als Staatssekretär erleben musste, weiß wovon ich spreche. Leider war er nur wenige Tage später nicht zur Stelle (wobei das nur eine kühne Vermutung meinerseits ist), als sich der Erfurter Ableger von PEGIDA und die entsprechenden Gegendemonstranten in der Stadt trafen. Über das Geschehen gibt es unterschiedliche Berichte – Link 1 / Link 2. Doch bei der allgemeinen Gewaltbereitschaft ist Thüringen (wieder mal) Vorreiter. Schade. Ein Bild auf Twitter spricht mir dazu ziemlich aus dem Herzen.

Den Abschluss bilden dann noch einmal Mike Mohring und Bodo Ramelow. Letzterer hat seine Abgeordnetenimmunität bereits verloren, damit die überlastete sächsische Justiz gegen ihn (weiter) ermitteln kann. Ersterer muss zunächst weiter auf das Befinden über sein Schicksal warten. Fest steht nur eines: beide befinden sich in seltsamer Gemeinschaft politisch motivierter Vorwürfe / Handlungen.