Seit 01.10.2017 ist das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft getreten. Heute habe ich die Auswirkungen davon zum ersten Mal live erlebt. Ein User bei Twitter hat einen mehr Tweets “retweetet”. Allerdings konnte ich diesen Retweet nicht lesen. Stattdessen zeigte mir Twitter (links im Bild) die Meldung “…account has been withheld in: Germany.” Daraufhin begab ich mich mit Hilfe eines VPN´s nach Tschechien, so dass ich den Retweet lesen konnte (rechts im Bild). Der Beitrag war harmlos.
Trotzdem war ich geschockt über diese sehr direkte und sichtbare Form von Zensur. Ich fühlte mich an die DDR erinnert, aber auch an die zahlreichen Vorhaltungen in unserer Zeit gegenüber Russland, China und einigen arabischen Staaten. Als ich vor über 20 Jahren zum ersten Mal einen Fuß ins Internet gesetzt habe, war das der Anfang einer neuen Zeitrechnung für mich. Der Austausch mit Menschen aus (fast) aller Welt war mit einem Mausklick möglich. In Newsgroups, Foren und dem IRC galt es eins ums andere Mal zu lernen, dass andere Meinungen sehr unbequem und sehr anstrengend, manchmal auch verletztend sein können. Trotzdem halte ich das, was ich unter Meinungsfreiheit kennen gelernt habe und verstehe, für ein absolut unverzichtbares Grundrecht. Für mich ist es die Basis von Demokratie.
Und nein, ich habe die letzten Monate und Jahre nicht unter einem Stein gelebt. Ich habe die diversen Einschränkungen der “Freiheit” zur Kenntnis genommen. So richtig wirklich betroffen, haben sie mich bisher nicht. Wohl auch ein Grund dafür, dass ich mich heute fragen muss, ob ich nicht mehr dagegen hätte tun können. Die Antwort darauf ist: Ja, ich hätte mehr dagegen tun können und müssen.
Ich würde jetzt gerne schreiben, dass mir der 02.11.2017 für immer in Erinnerung bleiben wird. Leider stimmt das nicht. Ich werde ihn – so wie ich mich kenne – schon sehr bald vergessen haben. Das Gefühl, in einem freiheitlich-demokratischen Land zensiert wurden zu sein, werde ich jedoch nicht so schnell vergessen.